Aufführungen von Donnerstag bis Samstag, 29. November bis 1. Dezember, jeweils um 20.00 Uhr im Saal der AMV Fridericiana Erlangen, Glückstraße 3.
Jemand, der nichts gewinnen, aber alles verlieren kann. Jemand, der nur lebt, um zu arbeiten, nur arbeitet, um unterdrückt zu werden, und von niemandem gehört wird, obwohl er schreit. Das ist der Soldat Franz Woyzeck. Jemand, der schließlich zum Mord getrieben wird.
Dass gerade er dem Zuschauer noch am verständlichsten bleibt in einer Welt, die vor Absurdität, Bizarrheit, Kommunikationslosigkeit und Distanzierung kaum noch zu verstehen ist, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Übrig bleibt Woyzecks letzter, aber erster eigener Entschluss, sich gegen diese stumpfe Weltordnung aufzulehnen – zusammen mit der Frau, die er am meisten liebt.
Selten war ein deutsches Drama einflussreicher. Gerade weil das Werk des Mediziners und Schriftstellers Georg Büchner durch dessen Tod 1837 Fragment blieb, reizte es gerade in der heutigen Zeit unzählige Regisseure. Allein die Anzahl der verschiedenen Versionen – ob Schauspiel, Oper, Musical oder Puppentheater – spricht für sich. „Woyzeck“ bietet immer wieder eine neue Vielzahl an Zugängen und Blickwinkeln.
Büchner selbst war dabei seiner Zeit weit voraus. Geschrieben nur fünf Jahre nach Goethes „Faust II“ wurde Büchners berühmtestes Werk erst 77 Jahre nach seinem Tod uraufgeführt und ist bis heute nicht gealtert – ja, ist vielleicht aktueller denn je.
Die Erlanger Nachrichten schrieben am 1. Dezember 2012 im Kulturteil:
Büchners „Woyzeck“ ist gesellschaftskritisch und satirisch. Zugleich ist es aber ein Drama. Diese Balance zwischen Komik und Dramatik zu halten, ist dem AMVi-Theater im Haus der AMV Fridericiana Erlangen gelungen.
Gezeigt wird, wie der arme Soldat Woyzeck zum Mörder wird. Corinna Pfarr spielt glaubhaft die Hauptfigur in ihren verschiedenen Gefühlslagen. Resignierend wegen des unabänderlichen Schicksals und wütend über seine fremdgehende Ehefrau wird Woyzeck schließlich von eingebildeten Stimmen zum Mord an ihr getrieben. Dabei scheint er oft weniger verrückt als seine Umwelt, die treffend karikiert ist. Der Doktor, der von Katja Steinki mit extrem übertriebenen Gesten dargestellt wird, und der Hauptmann (Jacqueline Grzeszik) mit seinen einfältigen Einwänden sorgen für Erheiterung.
Die ganze Inszenierung vermittelt den Eindruck, dass man hier einen armen, bloßgestellten Menschen vor sich hat. Es gibt wenige Requisiten, die auf das Nötigste beschränkt sind und die Aufführung realitätsnaher scheinen lassen: Äste, Rasierwasser oder auch Erbsen. Sie werden effektvoll ins Spiel miteinbezogen, wenn beispielsweise der Hauptmann Woyzeck mit Rasierwasser bespritzt, um seine Macht zu demonstrieren. Nur das Problem, wie die Schauspieler die Gegenstände auf die Bühne befördern, ist bisweilen etwas unglücklich gelöst. So sieht man paradoxerweise, wie Felicitas Sieweck als Marie ein Rasiermesser auf den Boden fallen lässt, um sich anschließend scheinbar tot daneben zu legen.
Die Bühne ist nur mit einem von der Decke hängenden Fensterrahmen und einer grauen Box ausgestattet. Beleuchtung und Musik passen sich den Szenen an, treten aber selbst in den Hintergrund. Dadurch wird die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf das Wesentliche – das Schicksal Woyzecks – gelenkt. Kostüme, Musik und Requisiten deuten die Verhältnisse der Zeit an, lassen aber auch den Freiraum, die Situation auf Heute zu übertragen.
Patricia Achter, Erlanger Nachrichten vom 1. Dezember 2012