„Alberta und Alice“ – Theater

Das Stück: „Alberta und Alice“

Svevo führt uns mit seinem 1926 verfaßten Stück in die Welt von Alberta und Alice, zweier fast gleichaltriger Cousinen.

Alice lebt mit zwei Kindern verwitwet und verarmt in einer engen Stadtwohnung. Alberta führt eine scheinbar glückliche Ehe mit Carlo Bezzi, einem angesehenen Geschäftsmann und Kunstsammler. Alberta unterstützt ihre verarmte Cousine mit Geld, aber auch mit abgelegten Kleidern und Hausrat.

Bei einer Abendgesellschaft im Hause Bezzi teilt Alberta ihrer Cousine en passant mit, daß Tante Teresina, an den Rollstuhl gefesselt und pflegebedürftig, vom Land in die Stadt ziehen will. Tante Teresina soll zusammen mit einer Pflegerin, die Alberta bereits eingestellt hat, bei Alice wohnen, damit Carlo und seinen honorigen Gästen der Anblick der Alten erspart bleibt und Alice sich endlich erkenntlich zeigen kann für die Unterstützung. Alice, zunächst sprachlos, gehen die Nerven durch.

Der heitere Konversationston dieser unvollendeten Komödie täuscht mit seinen hilflos komischen Männertypen und der schrulligen Tante leicht über die Brutalität des Kampfes dieser beiden Frauen hinweg.

Trotz dieser Härte zeigen die Charaktere menschlich normale Verhaltensweisen, die in ihrer Art nicht zu verurteilen sind.

(Quelle: Programmheft)

Der Autor Italo Svevo

In allen romanischen Sprachen sowie im Englischen gilt der Triestiner Bankangestellte Ettore Schmitz (1861–1928), unter dem Pseudonym Italo Svevo, als einer der Begründer der modernen Literatur.

Als Erzähler schuf er eine neue Form, im Theater bediente Svevo sich der vorgefundenen: Er porträtiert die Welt der bürgerlichen Salons mit Verwandten und Dienerschaft, mit Geldnöten und Ehebrüchen.

Doch Svevo hat noch mehr zu bieten. Der von Ibsen Beeinflußte, der Freuds Traumdeutungen übersetzt hat, bringt seine Personen in Lagen, in denen sie sich anders erfahren, als ihnen bequem ist. Doch trägt dieses Aufspüren der Lebenslüge zugleich unverwechselbare Züge, die von Eugenio Montale so beschrieben wurden: „Die grundlegende Eigenart Svevos ist sein Bedürfnis, jenseits dessen, was scheint, die unterirdische, dunkle Region zu erforschen, in der alle Gewißheiten ins Schwanken kommen.“

Darin ist Svevo ein Vorläufer der wichtigsten Strömungen der modernen Kunst.

Sein Ansatz ist anthropologisch und nicht zeit- und klassenbedingt, es ist das Vor- und Rückwärtstasten im Unausgesprochenen.

(Quelle: Programmheft)

Auf und hinter der Bühne

Alberta Bezzi Iris Reinhold
Alice Peretti Silke Weller
Carlo, Albertas Mann Clemens Heydenreich
Chermis, der Geldverleiher Fabian Guillery
Clelia, Teresinas Gesellschafterin Nicole Simon
Martha, das „Zimmermädchen“ Ulrike Finger
Dr. Paoli, der Arzt Stefan Vogt
Donato Sereni, Alices Verehrer Stefan Mayer
Roberto Telvi, Alices Verehrer Klaus-Dieter Schuh
Teresina Brentani, die Tante Andrea Lachnitt
Regie Dagmar Stötzer
Maske Michaela Bokholt
Souffleuse Ulrike Schrüfer
Technik, Bühne,
Organisation,
Rat & Tat
Andreas Brostmeyer
Alexandra Freidl
Carsten Bokholt
Christian von Normann
Claudia Dierken
Dieter Knerer
Hannes Egger
Holger Strichau
Jan Tessareck
Matthias Niethammer
Nicole Schymiczek
Stephan A. Klein
Tobias Großhauser
Torsten Seeger

Am 25. Februar 1997 schrieben die Erlanger Nachrichten:

Milieu der gelangweilten Neureichen

Theatergruppe der AMV Fridericiana spielt Italo Svevos Society-Melodram „Alberta & Alice oder Die Unterwerfung“

Die plötzliche Güte und verständnisvolle Warmherzigkeit, die die sonst so kühle Alberta dem Liebesglück ihrer Cousine Alice am Schluß angedeihen läßt, erscheinen wie blanker Hohn, purer Zynismus gegenüber dem boshaft-neidischen Verhalten, das die gutbürgerlich-hochnäsige Alberta ihrer mittellosen Cousine bis dato entgegenbrachte. Aber im Milieu so gelangweilter wie intriganter Neureicher scheint so etwas, so will es das Klischee, an der Tagesordnung zu sein.

Eine Versuchsanordnung hat Italo Svevo in seinem 1926 verfaßten Gesellschaftsstück „Alberta  & Alice oder Die Unterwerfung“, das die Theatergruppe der „AMV Fridericiana“ zur Zeit aufführt, aufgebaut, Menschen und ihre Verhaltensweisen sollen wie unter dem Mikroskop beobachtet werden können – klar, daß ein solches Ansinnen einen Reißbrettcharakter verpaßt bekommt (bekommen muß).

Die überkandidelten Haken, die dieses durchwachsene Parabelstück schlägt, sind denn nicht unbedingt dazu angetan, das dramaturgische Vertrauen in diesen Ibsen für ärmere zu fördern, zu konstruiert, zu schablonenhaft ist das Ganze angelegt. Der artifizielle Versuch, das Menschsein schlechthin als Sampler aller möglichen Gefühlsschattierungen im Schnelldurchlauf zu präsentieren, geht bei Svevo auf Kosten der Dynamik und Energie. Und um die schönen Spiele der Reichen bloßzustellen, eine bestimmte Gesellschaftsschicht, die permanent nur an der eigenen Libertinage interessiert ist, vorzuführen, hat das Stück zu wenig ätzende Durchschlagkraft.

Adäquate Besetzung

Doch die Regie (Dagmar Stötzer) ist clever: Der starken Typisierung der Protagonisten in dieser – mal von einer anderen Seite betrachtet – klassischen Mär von der Schönen und dem Biest wird mit einer adäquaten Rollenbesetzung begegnet. Überhaupt heben die Darsteller die enervierende Gewichtigkeit, die mitunter bleischwer auf Stücken des „Psychologischen Realismus“ lastet, großartig auf, indem sie ihren Figuren frische Lebendigkeit einhauchen, sich ihre Rollen prima überstülpen – so kommt selbst der bedeutungsschwerste Dialog nicht zu papieren daher.

Iris Reinhold als doppelzüngige Megäre und Silke Weller als gutherziges Aschenputtel bringen in ihren häufigen gemeinsamen Wort-Duell-Auftritten intensive Augenblicke auf die Bühne. Clemens Heydenreich spielt überzeugend den sich stets auf dem Sprung befindlichen, den spitzfindigen Subtilitäten seiner Frau Alberta gegenüber hilflosen Geschäftsmann, und ebenso überzeugend verkörpert Nicole Simon die Krankenschwester-Gesellschafterin, die alles sieht und hört und sich genußvoll an den Gefühlsverrenkungen der „Herrschaft“ delektiert.

Eine beachtliche Ensembleleistung in einem etwas zähen Society-Melodram. Heute und morgen noch einmal, jeweils um 20 Uhr im Verbindungshaus in der Glückstraße 3.

Manfred Koch