Theater im Sommersemester 2000

Einladung

Agatha Christie, geb. Miller, wurde am 15. September 1890 als jüngstes von drei Kindern im englischen Seebad Torquay geboren. 1909 reichte sie, weil ihr eine Karriere als Opernsängerin verwehrt wurde, ihren ersten Roman „Snow upon the Desert“ bei einem bekannten Schriftsteller zur Beurteilung ein. 1912 lernte sie ihren späteren Ehemann Archibald Christie kennen, den sie im Winter 1914 heiratete. Als der 1. Weltkrieg vorbei war, zog das Paar nach London, wo Agatha in einer Krankenhausapotheke arbeitete, was ihr die für ihre Bücher nötigen Kenntnisse über Gifte verschaffte. 1920 wurde ihr erstes Buch („The mysterious affair at Styles“) veröffentlicht. 1928 ließ sie sich scheiden und heiratete 1930 den 15 Jahre jüngeren Archäologen Max Mallowan. Am 12. Januar 1976 starb Agatha Christie in Winterbrook House.

Zum Stück:

Die „Zehn kleinen Negerlein“ wurden 1939 das erstemal veröffentlicht. Außer für das gleichnamige Theaterstück war das Buch auch Grundlage zahlreicher Filme.

Zehn Menschen sind übers Wochenende in die Villa des geheimnisvollen Millionärs Onym auf eine abgelegene, kleine und unbewohnte Insel eingeladen. Er selbst scheint verhindert, jedoch hindert es ihn nicht daran, jeden seiner Gäste eines Mordes anzuklagen.

Vera Elisabeth Claythorne, Captain Philip Lombard und William Henry Blore, Bild von Florian Stadler
General John Gordon Mackenzie, Bild von Florian Stadler

Was alle zunächst für einen makabren Scherz halten, entwickelt sich schnell zu einer Bedrohung, da ihr unbekannter Ankläger in der Reihenfolge eines Kinderliedes einen nach dem anderen umbringt. Flucht ist nicht möglich, und so beginnt eine fieberhafte Suche nach dem Mörder.

Die Aufführungen

… fanden von 21.–24. Juli 2000 in der Glückstraße 3 statt. Es wirkten mit:

Dr. Susan Armstrong Christina Plach
William Henry Blore Klaus-Dieter Schuh
Emily Caroline Brent Ulrike Drechsler
Vera Elisabeth Claythorne Diana Kapfenberger
Captain Philip Lombard Hannes Egger
General J. G. Mackenzie Fabian Guillery
Anthony Marston Florian Stadler
Stella Rogers Christina Link
Thomas Rogers Harald Schönfeld
Sir Lawrence John Wargrave Christian Kallenbach
Die Stimme Frank Farnschläder
Souffleuse/-eur Agnes Neudecker
Vassilij Jermolin
Regie Christina Link
Technik Tobias Hopfner
Maske Claudia Egger

Und so urteilten die Erlanger Nachrichten:

Mordtaten in Serie

AMV Fridericiana setzte Christies „Zehn kleine Negerlein“ in Szene

Ein Schrei – ein Toter. Ein Röcheln – noch ein Toter. Ein Schuss – und wieder ein Toter. Und so weiter und so fort, bis schließlich keiner mehr übrig ist. Der Fall respektive die Fälle werden vom Täter – vor dessen Ableben – selbst aufgeklärt. Da braucht’s keine Miss Marple und keinen Hercule Poirot.

Skurrile Morde bis zum Abwinken, mit einer so überraschenden wie bizarren Lösung: Willkommen in der (Gedanken-)Welt der Agatha Christie, der sogenannten Lady of Crime, einer ehemaligen Apotheken-Gehilfin, die jahrzehntelang verschmockte Rätselkrimis am laufenden Meter schrieb.

Morden à la Christie ist seit jeher und heute mehr denn je Geschmackssache: Für die einen sind die Krimis der englischen Dame, mit ihren gleichzeitig mathematisch abgezirkelten wie leblos und haarsträubenden Plots, absoluter Kult, die anderen verrenken sich bei der Lektüre der artifiziellen Konstrukte ganz gehörig die Gähnmuskeln.

Beliebtes Entertainment

Gleichwohl sind die Christieschen Erzeugnisse auch in der dramatisierten Form, sprich als Theaterstücke, immer wieder gern aufgeführte Entertainment-Veranstaltungen. Dies hat auch die studentische AMV Fridericiana bedacht, weshalb sie in ihrem Haus in der Glückstraße 3 Agatha Christies großen Klassiker „Zehn kleine Negerlein“ gespielt hat. Was soll man sagen über ein Kriminalstück, in dem per se dramaturgische Statik vorherrschend ist, in dem enervierend viel palavert wird und Mord allenfalls als langwieriges und -weiliges Gesellschaftsspiel einiger versnobter Verlierertypen erscheint? Die Personen und ihr Schicksal sind einem völlig gleichgültig, weil sie keine Menschen, sondern nur schemenhafte Reißbrettfiguren sind: Agatha Christie hat sich nie für ihr Personenarsenal interessiert, nur für möglichst absurde Wendungen der konstruierten Krimihandlung.

Etwas Individualität

Und doch haben die AMVler das Kunststück fertig gebracht, den zehn Figuren, die von einem Unbekannten auf eine abgelegene Insel eingeladen und dort der Reihe nach umgebracht werden, so etwas wie Individualität einzuhauchen: Unter der Regie Christina Links modellieren die Akteure wenigstens ein paar Charakteristika in die Pappkameraden hinein. Entstanden sind so hübsche Kleinst-Miniaturen im eng gezurrten Plot-Korsett, denen zuzuschauen dann durchaus Laune macht.

Aber alles andere ist halt so, wie’s immer ist bei der Christie: Fassade, Schablone, Theaterdonner, alles garantiert hochgeputscht und künstlich aufgebauscht. Wie gesagt: Wem’s gefällt …

Manfred Koch