Die Gründung

Karl Eduard Haas schreibt in seinem Buch „Die Akademisch-Musikalische Ver­bin­dung Fridericiana im Sondershäuser Verband, vormals Stu­den­ten­ge­sang­ver­ein Er­lan­gen“ von 1982 in Kapitel I.1 auf den Seiten 9–13 (die Überschriften und Her­vor­he­bun­gen wurden vom Unterzeichneten eingefügt):

Frühstart

Die Idee einer studentischen Vereinigung mit musikalischem Prinzip lag schon länger in der Luft. Es gab dergleichen schon lange in Berlin, Göttingen, Greifs­wald, München und Würzburg. Auch in Erlangen gab es Studenten, die dem We­sen der bestehenden Korporationen fernstanden, aber das Bestreben hatten, durch Pflege des Männergesangs und der Gemeinschaft sich das Uni­ver­si­täts­le­ben zu ver­schö­nern. Eine kleine Anzahl älterer Studenten, Würz­bur­ger und Münch­ner Kar­tell­brü­der, traf sich so schon im Jahr 1877 bei Stehlig im Gast­haus zum „Weißen Roß“ in der Goethestraße. Man entwarf schon Statuten zur Gründung eines Ge­sang­ver­eins, „doch der Boden, in welchen die junge Pflanze gesetzt werden soll­te, war mit fremdartigen Elementen ver­mischt, und so muß­te die junge Saat im ersten Keim wieder erstickt wer­den.“ (Leuze) Wahr­schein­lich waren die „fremdartigen Ele­men­te“ noch gän­gi­ge Vorstellungen von einer Korporation alten Stils.

Neuer Anlauf

Die Sache kam aber nicht zur Ruhe und wurde besonders im September 1878 auf einer von beiden Akademischen Gesangvereinen München und Würzburg in Re­gens­burg veranstalteten Ferienzusammenkunft, an der auch Mitglieder des Nürn­ber­ger Philisterverbands teilnahmen, neu angeregt. So kam es Ende 1878 dazu, daß die bestehenden Widerstände überwunden werden und die lange gehegten Wünsche in der Gründung eines Vereins in Erfüllung gehen konnten. Strobl schreibt dazu: „Es spricht für den Idealismus und Optimismus unserer Gründer, daß sie … glaubten und hofften, es werde sich im couleurfrohen Erlangen eine von den eingewurzelten Anschauungen so völlig abweichende und daher ganz neu­ar­ti­ge Studentenverbindung auf die Dauer durchsetzen.“

Satzungsentwurf

Es sind vor allem drei Angehörige des AGV Würzburg zu nennen, die damals in Erlangen studierten, vor allem der cand. med. Wilhelm Buchner aus Kitzingen als führende Persönlichkeit, der cand. theol. Johannes (Hannes) Mech­ters­hei­mer, ein Pfälzer und Feuergeist, und der Jurist Franz von Leistner, die das Ganze dem Ziel zuführten. So kamen am 7. und 8. Dezember 1878 in der Wohnung des stud. med. August Faber die unten genannten Studenten mit den beiden Rechtspraktikanten Franz von Leistner und Hermann Reuß zu vor­be­rei­ten­den Sitzungen zusammen, um die formelle Gründung des Vereins vor­zu­be­rei­ten, die Statuten durchzuberaten und sich über die künftige Vorstandschaft einig zu werden. Der Zweck des Vereins sollte sein:

„Verschönerung des Studentenlebens durch Pflege des Gesangs, der Musik und der Geselligkeit unter Fernhaltung aller fremdartigen Bestrebungen“ (§ 1).

An diesen Versammlungen nahmen folgende 16 Studenten teil, die sich schon im Jahr zuvor in der gleichen Absicht versammelt hatten und gewillt waren, dem Verein beizutreten:

  • Wilhelm Buchner, cand. med. aus Kitzingen
  • Wilhelm Burkhardt, cand. med. aus Schweigen (Pfalz)
  • August Faber, stud. med. aus Speyer
  • Richard Fricke, stud. neophil. aus Haßlinghausen (Westf.)
  • Theoder Hamel, stud. med. ebenfalls aus Haßlinghausen
  • Adolf Krämer, stud. neophil. aus Brückenau
  • Otto Krämer, stud. med. aus Brückenau
  • Georg Kunst, cand. phil. aus Hahnbach (Oberpfalz)
  • Hannes Mechtersheimer, cand. theol. aus Lachen (Pfalz)
  • Fritz Müller, stud. theol.
  • Edmund Schlicht, stud. med. aus Ansbach
  • Karl Sixt, stud. pharm. aus Schweinfurt
  • Karl Wimmel, stud. pharm. aus Hamburg
  • Theodor Zapf, stud. iur. aus Bayreuth
  • Max Zeißner, stud. pharm. aus Münnerstadt
  • Wolfram Zingerle, stud. phil. aus Innsbruck

Diese sind die Gründer des Vereins. Einige gingen allerdings dem Verein bald wieder verloren: Adolf Krämer, der sich als Forststudent einer Forstverbindung anschloß, Otto Krämer, der vorher schon dem AGVW angehörte und sich dort philistrieren ließ, und Fritz Müller.

Nach eingehender Beratung nahmen die Genannten den Satzungsentwurf an und beschlossen, der Gründungsversammlung als Ausschußmitglieder folgende vor­zu­schla­gen: Mechtersheimer als ersten, Buchner als zweiten Vorstand, Kunst als Di­ri­gent, Schlicht als Schriftführer und Hamel als Kassier. Buchner hatte die Stel­le des 1. Vorstands abgelehnt.

Man hielt daran fest, daß der Verein dieselbe Grundlage haben sollte wie der Münchner und Würzburger AGV, mit denen man auch bald ein Kartellverhältnis eingehen wollte. Die Satzung war im wesentlichen der des Würzburger Vereins nachgebildet, die sich wiederum an die des AGVM anlehnte. So wurde die geistige Verwandtschaft zu diesen beiden anderen bayerischen Vereinen deut­lich, zu denen dann auch immer ein gutes Verhältnis bestand.

Namensfindung

Schwierigkeiten gab es bei der Namensgebung. Der geplante und mit München und Würzburg gleichklingende Name „Akademischer Gesangverein Erlangen“ erhielt nicht die Genehmigung des Senats der Universität, da es schon einen Ver­ein desselben Namens an der Universität unter der Leitung des Uni­ver­si­täts­mu­sik­di­rek­tors Prof. Dr. Joh. Gg. Herzog gab, der allerdings als ge­misch­ter Kirchenchor nicht nur aus Studenten bestand. So kam es zu dem Na­men „Studentengesangverein Erlangen“, den der Verein 45 Jahre lang (bis 1923) trug.

Konstitutierende Sitzung

Die in Aussicht genommenen 5 Vorstandsmitglieder (s. oben) legten bei ihrer ers­ten Zusammenkunft die Tagesordnung für die Grün­dungs­ple­nar­ver­samm­lung fest. Diese trat am 14. Dezember 1878 zu ihrer ersten Sitzung zu­sam­men, in der sie den Studentengesangverein Erlangen für konstituiert er­klär­te, und so gilt dieser Termin als Geburtstag des Bundes.

Der Satzungsentwurf wurde genehmigt und der Vorstand in der geplanten Besetzung gewählt. Die sehr rührigen Verfasser des Satzungsentwurfs, die Rechtspraktikanten von Leistner, Reuß und Dr. Otto Mühlhäuser, wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt, ebenso der cand. med. Friedrich Crämer, ein guter Tenor und enger Freund Buchners, der wegen Zugehörigkeit zu einer dem AGV Würzburg befreundeten Verbindung nicht Mitglied werden konnte. Zur Einführung des von Buchner beantragten Duz-Komments konnte man sich noch nicht entschließen (man siezte sich also noch per „Herr Vereinsbruder“), aber schon bald darauf, am 31. Januar 1879, drang Buchners Antrag durch, und man beschloß das vereinsbrüderliche Du.

Die Freude über das erreichte Ziel war groß. Wenige Tage später zog man schon nach Nürnberg auf die Thomaskneipe des dortigen Philisterverbands akademischer Gesangvereine, wo die Erlanger Gründung gebührend gefeiert wurde.

Das Pflänzchen wächst

In diesem ersten Semester kam das Vereinsleben schnell in Gang. Es gelang da schon, mit 26 Aktiven zu einer beachtlichen Stärke zu kommen. Wichtig war die Wahl des Vereinslokals. Große Auswahl war nicht vorhanden. Man hatte sich zunächst für das Rheinkunz'sche Gasthaus am Altstädter Kirchenplatz entschieden, doch fiel dann die Wahl auf die Wirtschaft „Zum Kronprinzen“ in der Friedrichstraße, da diese zu günstigeren Bedingungen zu haben war und auch ein Klavier besaß.

Als Vereinszeichen hatte man ursprünglich rot-weiße Schleifen, die Erlanger Stadtfarben mit dem im Stadtwappen enthaltenen böhmischen Löwen ins Auge gefaßt; man entschied sich aber später für rosa-weiße Schleifen mit dem ebenfalls dem Erlanger Stadtwappen entnommenen markgräflich-bran­den­bur­gi­schen Adler. Das Rosa-Weiß ist, wie sich in späteren Jahren her­aus­stel­len sollte, leider eine schwierige Farbe, die bei Fahnen und Kranz­schlei­fen oft schwer zu beschaffen war und zudem leicht ausbleicht. Aber man wähl­te es zum klaren Unterschied zu dem dunklen Rot-Weiß des Corps Onol­dia.

Um zu einem Grundstock für die Vereinskasse zu kommen, wurden für die Grün­der des Vereins 3 Mark als Aufnahmegebühr und 2 Mark als Mo­nats­bei­trag festgesetzt. Letzterer wurde schon im 2. Semester auf 3 Mark erhöht. Be­schlos­sen wurde ferner, daß als Konkneipanten nur solche zugelassen wer­den sollten, die keiner anderen Korporation angehörten oder als Nicht­im­ma­tri­ku­lier­te nicht Mitglied des Studentengesangvereins werden konn­ten.

Das Wochenprogramm sah für Dienstag eine Exkneipe, Mittwoch die re­gel­mä­ßi­ge Chorprobe und Samstag die Kneipe vor. An den übrigen Tagen traf man sich zwanglos im Vereinslokal. Für den Vorstand wurde zwecks besserer Auf­recht­er­hal­tung von Ordnung und Ruhe bei den Veranstaltungen eine Glocke an­ge­schafft.

Vereinsspruch

Mehrere Mitglieder bemühten sich um Dichtung und Vertonung eines Ver­eins­spruchs. Am 9. Januar 1879 entschied sich die Plenarversammlung ein­stim­mig für den Fricke'schen Vorschlag:

„Nach deutscher Weise
im Freundeskreise,
im Reiche der Töne
suchet das Schöne!“

Die Melodie wurde freilich bald darauf, weil zu wenig markig und cha­rak­te­ris­tisch, durch einen Musiksachverständigen umgearbeitet, und diese wur­de dann bei den Veranstaltungen, Plenarversammlungen etc. viele Jahr­zehn­te lang (meist zum Abschluß) gesungen.

Zulassung an der Universität

So entwickelte sich das Vereinsleben, besonders nach den Weihnachtsferien, sehr schön, doch fehlte noch die Anerkennung durch den Senat der Universität. Diese ließ lange auf sich warten, weil die Universitätsbehörde offenbar Be­den­ken trug, es könnte dem Herzog'schen Akademischen Gesangverein Kon­kur­renz erwachsen. Es bedurfte des Eingreifens des Kartellphilisters Prof. Dr. von Ehe­berg (AGVM), um die Anerkennung (Zulassung) zu erwirken.

Das erste Stiftungsfest

Für den Elan und die Leistungsfähigkeit des jungen Vereins spricht, daß man schon einen Monat nach der Gründung an die Durchführung eines ersten großen Stiftungsfests ging, für das man den 25. Januar 1879 festsetzte. Das Vereinszeichen war schon beschafft worden und zierte alle Mitglieder. Ein­la­dun­gen ergingen an alle Professoren, Privatdozenten, das Offizierscorps, den Bürgermeister und sonstige prominente Persönlichkeiten und an die AGVs in München und Würzburg. Vier Münchner und 17 Würzburger AGVer konnte man feierlich am Bahnhof abholen, dazu kamen viele Münchner und Würzburger Philister.

Der Festabend, zu dem sich viele Gäste, darunter Universitätsprofessoren, eingefunden hatten, fand im Saal des (heute nicht mehr bestehenden) Hotels „Zum Walfisch“ in der Walfischgasse (später Bankstraße, heute Calvinstraße) statt. Der 1. Vorstand Mechtersheimer hielt die Begrüßungsrede, nach der zum ersten Mal der Vereinsspruch erklang. Danach brachten die Vorsitzenden der aktiven Vereine in München und Würzburg ihre Glückwünsche und Geschenke dar. Ehrenphilister Reuß überreichte im Namen der drei Ehrenphilister einen Pokal. Als Vertreter der Universität überbrachte der Jurist Freiherr von Scheurl, Senior der Universitätsprofessoren, die Grüße der Friderico-Alexandrina mit den besten Wünschen und der Zusicherung, daß dem neugegründeten Verein die Unterstützung und Sympathie der Universität und der Professoren niemals fehlen werde. Weitere Ansprachen aus dem Kreise der Münchner und Würzburger Philister gaben den Erlangern viel Ermunterung mit auf den Weg. Dazwischen wurden vierstimmige Lieder gesungen, und das Vereinstrio (Fricke: Klavier, Kunst: Geige, Zapf: Cello) spielte eine Komposition von Reißinger. Peter Schmitt (AGVW) begeisterte durch seinen prächtigen Tenor. Orchestervorträge wechselten mit frohen Studentenliedern bis zum frühen Morgen. Dieser „Stiftungsfestabend war geradezu ein Volltreffer“, heißt es in der Bundesgeschichte. Der junge Verein hatte mit seinen musikalischen Darbietungen bereits in der Öffentlichkeit gezeigt, was er leisten konnte. Daran hatte der Dirigent Kunst ein wesentliches Verdienst. Fricke schrieb an seine Eltern, daß der Abend „imposant und erhebend, bedeutungsvoll nicht nur für unseren Verein, sondern - kühn dürfen wir es behaupten - für das ganze Erlanger Studentenleben“ war.

Am nächsten Tag gab es eine Frühkneipe im Vereinslokal „Zum Kronprinzen“, und nach einem gemeinsamen Mittagstisch im Gasthaus „Zum Fuchsen“ unternahm man einen Nachmittagsspaziergang nach Bruck ins Gasthaus „Zum Schiff“, um fröhlich beschwingt abends wieder herein ins Vereinslokal zum Kneipen zu ziehen. Bei diesem großartigen Start wurden enge persönliche Beziehungen zu den Würzburger und Münchner AGVern geschlossen, und das gab mit den Anstoß dazu, daß der Verein, der schon bei der Gründung ein Freundschaftsverhältnis mit dem AGV Würzburg geschlossen hatte, im SS 1879 in ein Kartell mit dem AGV München eintrat und so den Weg in den (späteren) SV nahm.

Das restliche erste Semester

Für die Entwicklung des Musiklebens war die Anschaffung eines neuen Klaviers wichtig, da die Qualität des Wirtshausklaviers doch zu schlecht war. So konnte am 15. Februar 1879 durch Ehrenphilister Mühlhäuser das um 700 Mk. auf Abzahlung gekaufte Tafelpiano eingeweiht werden.

Die Leistungen des Vereins beim Stiftungsfest brachten ihm sogleich eine erste ehrenvolle Aufgabe ein. Der Prorektor der Universität, Prof. Dr. Hilger, selbst ein vorzüglicher Geiger, bat ihn um aktive Mitwirkung bei einem Konzert der „Harmonie“, der ersten Gesellschaft Erlangens, das am 3. März 1879 im Redoutensaal stattfand. Der Verein sang dabei zwei Männerquartette und beteiligte sich auch sonst an den Instrumentalvorträgen. So stieg sein Ansehen schnell in der Erlanger Öffentlichkeit.

Schließlich gab es in diesem ersten Semester noch eine fidele Faschingskneipe mit dem Motto „Jahrmarkt“, die mit viel urwüchsigem Humor u. a. von Buchner als Direktor eines Raritätenkabinetts, Reuß als Salonakrobaten und von Leistner als Zirkusdame ausgestaltet wurde. Auch eine aus (männlichen) Damen und Herren bestehende Musikgesellschaft trat auf.

So ging das glanzvolle erste Vereinssemester seinem Ende entgegen. Die Schluß-Plenarversammlung hatte noch die neue Vorstandschaft zu wählen. Einige der rührigen Gründer mußten wegen Examens oder Universitätswechsels ausscheiden. Nun wurde Hamel erster, Buchner zweiter Vorstand, Heinrich Bähr Dirigent, Heinrich Stiefel Schriftführer, August Faber Kassier. Auf der Schlußkneipe am 5. März 1879 (zwei Tage nach dem öffentlichen Auftreten im Redoutensaal) hatte der Verein die Ehre, neben anderen Professoren den Prorektor Prof. Dr. Hilger, seinen Gönner, begrüßen zu können.

Horst G.